Wer lernen will, ist willkommen (Teil 1)

Wer lernen will, ist willkommen

Was ist Shinson Hapkido? Woher kommt diese Kampfkunst? Und was macht man da überhaupt? Dies ist der erste Teil eines Interviews mit Sabomnim Uwe Bujack über die Bedeutung, die Geschichte und darüber wer was warum trainiert. Das Interview führte Kirsten Rick im Juni 2015.

Die Bedeutung

Was ist Hapkido?

Eigentlich müsste man fragen: Was ist Shinson Hapkido? Hapkido selber ist ein Begriff, des sehr vielfältig interpretiert wird. In Korea gibt es rund 40 verschiedene Verbände mit sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Wir haben dort Leute getroffen, die stolz erzählten, was für Geheimdienstoffiziere sie ausbilden. Da hatten wir nur noch Fragezeichen in den Augen. Deshalb: Shinson Hapkido.

Was ist denn Shinson Hapkido?

Man könnte es so übersetzen: Hap ist Harmonie, Ki ist Energie und Do ist das Urprinzip des Universums oder die Methode, etwas zu tun – beides. Interessanterweise kommt der Begriff Methode aus dem Griechischen und heißt auch „über den Weg gehen“. Es ist die Art und Weise, wie man etwas tut oder irgendwo hinkommt, aber es ist gleichzeitig auch das Grundprinzip. Das heißt, wir haben einerseits die Methode, das Urprinzip des Universums zu erreichen und andererseits das Urprinzip selber. Das ist eine typische Doppelbedeutung, die es sehr schwierig macht, das wirklich auf einen Punkt zu bringen. Deshalb gibt es sehr viele Interpretationen. Der Begriff Hapki heißt wörtlich auch „Energie bewegen“. „Die Art und Weise, Energie zu bewegen“, kann man Hapkido übersetzen. Aber Kido heißt auch beten, in Einklang mit dem Universum kommen. Das hieße dann „Harmonisch in Einklang mit dem Universum kommen“, das wäre eine sehr spirituelle Art und Weise, das zu interpretieren. Oder man lässt die Begriffe einfach nebeneinander existieren: Hap, Ki und Do – und trainiert Harmonie, trainiert Energie und begibt sich auf den Weg. Das ist immer Interpretationssache.

Man hat also die Möglichkeit, das Spirituelle aufzunehmen oder …

… das einfach wegzulassen. Ja, genau.

Und Hapkido rein als Sport zu betreiben?

Man macht schon einen Unterschied zwischen Do und Sport. Das ist wichtig. Sonsanim Ko Myong formuliert das so: Beim Sport geht es ums Gewinnen und Verlieren. Beim Do geht es ums Leben und Sterben.

Das Schriftzeichen Mudo heißt Kampfkunst und auch der Weg der Leere. Die Japaner nennen dasselbe Schriftzeichen Budo. Und Bu heißt im Japanischen Krieg. Die Budo-Sportarten wie Judo, Taekwando und so weiter, die haben eher eine kriegerische Tradition. In Korea hatte das auch ein bisschen diesen Charakter, ganz klar, aber da war die Verwurzelung in dem Spirituellen, in dem Prinzip des Mu, stärker.

Der Begriff Shinson ist erst 1993, 1994 dazu gekommen und bezieht sich auf den ganz alten koreanischen Begriff „Shinson In“, das sind die Erleuchteten. In heißt Mensch. Shin ist Geist, Son ist Einklang mit der Natur. Und gleichzeitig im Buddhismus heißt der Begriff Son Meditation. Wenn man das jetzt buddhistisch betrachten würde, heißt Shinson eine spezielle Form von geistiger Meditation. Aber die ursprüngliche Bedeutung ist, im Einklang mit der Natur oder dem Universum zu sein oder im Einklang mit dem Wesen der Natur. Shinson Hapkido heißt also, wenn man alle fünf Silben zusammen übersetzt: der Weg, mit der Lebenskraft in Harmonie zu kommen auf Basis des Einklangs mit der Natur.

Die Geschichte

Wo kommt Shinson Hapkido her?

Aus Korea. Ich hole einfach mal ein bisschen weiter aus: In Korea gab es diese Familien und die Klöster. Der Begriff Ka, HapkidoKa oder JudoKa, bezieht sich auf einen Stammesverband, eine Familie, einen Clan. Das heißt, HapkidoKa war die Hapkido-Familie. Und innerhalb der Familie wurde Know How weitergegeben, landwirtschaftliches, medizinisches, aber auch kriegerisches Know How. Da gab es natürlich verschiedene Schulen, je nachdem, welche verschiedenen Kräfte in Korea die Oberhand hatten: Konfuzianismus, Buddhismus oder Schamanismus. In allen drei Bereichen wurden bestimmte Techniken immer weiter entwickelt. Aber es gab nie eine Vereinheitlichung dessen, was man macht. In Japan dagegen hat diese Akademisierung, diese Verschriftlichung, schon mit der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert angesetzt. Die Japaner hatten aber ab 1905 Korea besetzt. Bis 1945 war Korea japanische Kolonie. Die Koreaner durften nicht mehr Koreanisch sprechen, die Familiennamen wurden alle japanisiert und ganz viele Kulturschätze und Kultur-Know-How wurden nach Japan transportiert. Rund um den koreanischen Königspalast haben die Japaner bestimmte Bauwerke errichtet, um die Energie zu blockieren, die Feng Shui Energie. Sie haben die Kolonialverwaltung so gebaut, dass der Palast nicht mehr sichtbar war. Sie haben auch Eisenpfähle um den Königspalast herum in die Berge gerammt, wie riesige Akupunkturnadeln, um die kosmische Energie, dieses Ki, von dem Königspalast abzulenken. Damit diese Macht, der Königspalast als Repräsentation der Unabhängigkeit Koreas, gestört wird. Und in diesem Zug sind auch sind einige Kampfkunstlehrer aus den Familien nach Japan geholt worden.

Der Begriff Hapkido selber ist in Anlehnung an Aikido entstanden. Und Aikido ist ja in den 20er Jahren von Ueshiba in Japan entwickelt worden. Und dessen Lehrer Takeda hat auch einen Mann namens Choi ausgebildet, der aus Korea kam und in Japan erzogen wurde. Choi ist nach dem Koreakrieg wieder zurück in seine Heimat gegangen und hat dort dann dort, ähnlich wie Ueshiba dieses Aikido, in Korea etwas ähnliches gemacht.

Aikido und Hapkido haben also die gleichen Wurzeln?

Ai ist die japanische Aussprache des gleichen Schriftzeichens wie Hap im Koreanischen. Ai heißt Harmonie und Liebe und Hap ebenfalls.

Unter dem Namen Hapkido haben sich verschiedene Stile ausgebildet. Sonsanim Ko hat zum Beispiel Kuk Sool Kwan gelernt. Kuk Sool heißt Kampfkunst der Koreaner. Das ist alles in den 50er und 60er Jahren passiert, das muss einem klar werden. Jede Kampfkunst behauptet für sich: Uns gab es schon vor 5000 Jahren! Das ist natürlich absoluter Quatsch. Diese Rückführung auf uralte Traditionen, das ist reine Willkür, das ist nicht historisch belegt. Karate ist in den 30er Jahren entstanden, Judo um die Jahrhundertwende und Aikido ist in den 20er Jahren. Davor war das alles familiär organisiert, es gab keine festen Systeme.

Dies ist Teil 1 von 3, die weiteren Teile folgen.