Dojang Hamburg 5 – Eine kleine Geschichte der Orte
24. Januar 1984, Beim Grünen Jäger 2
Der „BGJ“ war eine bekannte Szene-WG. Hier fand unser erstes Training statt:
Bu-Sabomnim Thomas Safarik und Barbara Schüler (2. Ki) stellten „Kung Jung Mu Sul Hap Ki Do“ vor. Im „großen Zimmer“ hatten sich über 25 Leute eingefunden. So war es eher ein Schauen als ein wirkliches Trainieren. Insgesamt haben im Laufe der Jahre viele Trainierende unseres Dojangs dort gewohnt. Einer der ersten wohnt immer noch dort…
Februar bis Sommer 1984
Die nächsten Trainings fanden dann in der Aikido-Schule von Ken Morigana in der Rothestr. in Altona statt. Platz gab es für 15, gekommen sind aber immer viel mehr; insgesamt ein bunter Haufen aus der aktiven Hausbesetzer-Szene und deren Unterstützer. Immer 10 Termine als Block mit Thomas und Barbara. Während eines Intermezzos in einer Schulaula begann dort dann auch Edgar Ellerbrock (2. Ki), eine Gruppe aufzubauen.
Ende 1984 begann die schleichende Besetzung der Brigittenstr. 5 in St. Pauli Nord. Im Anbau sollte ein Trainingsraum für Kampfsportgruppen aus dem linken Spektrum entstehen. Ende April 1985 war eine erste Renovierung abgeschlossen. Leider gabt es keine Heizung, der Eingangsraum war die einzige Umkleide und die Toiletten standen wie der ganze Keller bei Sturmflut 1 Meter unter Wasser. Dafür gab es vorne im Laden Punkkonzerte und warmes Essen.
Trotz der widrigen Umstände gab es wilde Träume, und viele Ideen, ein anderes Leben zu realisieren. Unter chaotischen Umständen blieb das Gemeinschaftsgefühl der wichtigste „Klebstoff“ untereinander. Geübt werden konnte dies im Training, gepflegt wurde es bei gemeinsamen Aktionen und vielen Fahrten, z.B. in die „Domäne Lutter“.
Dort haben wir es 5 Jahre ausgehalten, unter der Beobachtung der Polizei, denn der Laden war ein wichtiges Info-Zentrum bei den zahlreichen Demos um Hafenstrasse, Brokdorf und Rote Flora.
So blieb die „B5“ unser Zuhause bis wir 1991 in den Schanzenhof ziehen konnten. Doch die „B 5“ gibt es immer noch, in „unseren“ Räumen ist seitdem das B-Movie, eines der wenigen wirklich unabhängigen Kinos in Hamburg. In der Zwischenzeit zog „Eddys Gruppe“ (Edgar Ellerbrock, 2. Ki) von Ort zu Ort durch St.Pauli und Altona. Erst im Schanzenhof trafen wir uns wieder …
Bartelsstraße
Dort an der Bartelsstraße war unser nächstes Zuhause. Die Firma Montblanc hatte Ende der achtziger Jahre ihren Sitz im Schanzenviertel aufgegeben. Damals gab es dort noch viele Firmen. Der Schlachthof war wesentlich größer, Hermann Laue hatte dort sein Gewürzwerk, und auch die Firma Montblanc war ein großer Arbeitgeber. Durch die Veränderungen wurden große Gewerbeflächen frei und das Viertel hatte sich seitdem stark verändert. In dieser Zeit begann auch der Siegeszug des …Milchkaffees! Symbol der Gentrifizierung in so vielen Städten in Europa.
In dem großen Komplex zwischen Schanzenstraße und Bartelsstraße sind dann erst einmal viele verschiedene Projekte eingezogen. Die Größten waren sicher das Hotel Schanzenstern sowie die Volkshochschule, aber auch die Frauen Heilpraktikerschule, die Drogeneinrichtung Palette, und das 3001 Kino sind zu einem wichtigen Bestandteil des Schanzenviertels geworden. Wir hatten dort im Haus C eine Etage von insgesamt ca. 180 m², die wir 1990 ausbauten, das Training begann dann im Januar 1991. Zum ersten Mal hatten wir eine Heizung und eigene Duschen! Dafür gab es am Anfang keine Trennung der Umkleiden. Auch sonst herrschte ein fröhliches Chaos.
Der Dojang hatte sich aber stark verändert: es wurden regelmäßige Beiträge bezahlt, es gab regelmäßig Gymnastik, Meditation sowie eine Kindergruppe, dazu die Kooperation mit der Palette e.V. für eine Gruppe, die speziell für Menschen mit Suchtproblemen gedacht war. Damit hatte der Dojang sein Klientel stark erweitert.
Gleichzeitig begann Kyosanim Andrea Fischer mit dem Aufbau eines eigenen Dojangs (Heute Dojang HH 1 unter der Leitung von Sabomnim Lidija Kovacic) und Sabomnim Christoph und Saskia zogen nach Semmerin bei Ludwigslust und bauten dort einen erfolgreichen Dojang auf.
Doch nach sechs Jahren schon war deutlich: die Räume wurden zu klein. Außerdem gab es erhebliche Lärmbelastung (für die Nachbarn), da es keine Lärmschutzfenster gab. So begann schon 1997 die Suche nach neuen Räumen und mit der Besetzung des Hafenkrankenhauses zwischen der Reeperbahn und den Landungsbrücken 1999 entstand dort eine Perspektive für uns.
Diese Besetzung war eine Reaktion auf die fortschreitenden Umwandlungen in St. Pauli und erfasste weite Teile der Hamburger, sogar Heidi Kabel (und verschiedener andere Prominenz) solidarisierte sich. Das Hafenkrankenhaus war irgendwie auch Symbol für das andere St. Pauli, in dem sich auch um die Verlierer und Gestrandeten gekümmert wurde. Nach zähen Verhandlungen gab es immerhin einen Kompromiss; das Krankenhaus wurde zwar geschlossen, aber im historischen Südteil wurde ein Gesundheitszentrum unter Planung aller Beteiligter aufgebaut.
Gesundheitszentrum St. Pauli
Irgendwie waren wir auch immer mitten drin. Diesmal konnten wir uns aktiv an der Planung des gesamten Zentrums beteiligen und so auch unser Haus nach unseren Möglichkeiten und Bedürfnissen planen und bauen. Es sollte von Anfang an nicht nur ein Zentrum zum Trainieren werden, sondern eine Art Zuhause entstehen, in dem sich jede/r wohlfühlen und eine Pause vom Alltag nehmen kann. Mit uns sind dann fast 30 verschiedene Projekte aus dem Sozial- und Gesundheitswesen eingezogen.
Das Aussehen und die Lebensbedingungen haben sich in den letzten Jahren in unserem Stadtteil sehr verändert, und die Bedeutung unseres Dojangs HH 5 reicht über diesen einen Stadtteil weit hinaus. Zusammen mit den Abteilungen unseres Dojangs in den anderen Stadtteilen wie St. Georg, Eimsbüttel und Langenhorn trainieren nun fast 600 Menschen Shinson Hapkido, doch trotz der Veränderungen und der Vielfalt, die in all den Jahren dazugekommen ist, bleibt die Sehnsucht nach einer lebendigen Gemeinschaft das Verbindende, und dies umfasst nicht nur die, die zur Zeit trainieren, sondern auch die zahlreichen Menschen, denen wir nur vorübergehend begegneten.
Text: Bu-Sonsanim, Uwe Bujack, 5. Dan